1. Sich die Sorgen von der Seele sprechen ist auf Slambühnen besonders befriedigend. Nickende Gesichter, bestätigende Blicke und solidarische Rückmeldungen tun unglaublich gut, wenn man gerade frustriert ist und das Bedürfnis hat, dies den Mitmenschen mitzuteilen.
2. Mir ist es wichtig, während dem Auftritt Blickkontakt mit den Zuhörenden aufzunehmen. Deshalb trage ich meistens meine Texte auswendig vor. So sehe ich, wen die Textzeilen besonders bewegen, wer mitfühlt und wer vielleicht auch betroffen ist. Das Schönste sind die Gespräche nach dem Slam. Es freut mich immer sehr, wenn sich Menschen trauen, mich anzusprechen. Ich höre sehr gerne zu, was sie erlebt haben und welche Gedanken und Gefühle sie mit mir teilen möchten. Dadurch dass ich sehr persönliche Texte vortrage, entsteht eine asymmetrische Beziehung zum Publikum, worüber ich meist wenig bis nichts weiss. In dem Moment, wo Zuhörer*innen sich vorstellen und ihre Perspektive mit mir teilen, wird die Beziehung symmetrischer und das Erlebnis solidarischer. Deshalb sind für mich die Gespräche nach den Auftritten die wertvollsten Momente.
3. Es gibt mehrere Gründe, weshalb ich selbstbewusster bin als vor ein paar Jahren. Poetry Slam ist definitiv einer der Gründe. Nicht nur der Wettbewerb und der Sieg sind Bestätigungen, die wir als Slammer*innen erhalten. Aufmerksame Stille während der Auftritte und der ehrliche Applaus direkt danach sind die schönsten Komplimente, die sehr lange in Erinnerung bleiben. Meist stehe ich schüchtern, mit hochgezogenen Schulter auf der Bühne, wenn es um die Applausabstimmung geht. Es ist mir jedes Mal unangenehm, sich der Wertung des Publikums zu stellen und dabei in Konkurrenz zu den anderen Slammer*innen zu stehen. Doch wenn der Applaus losgeht, ob siegbringend, laut, kreischend, oder gesittet, es ist immer ein Zeichen des Respekts und Wertschätzung, die uns das Publikum entgegenbringt. Meist stehe ich mit Gänsehaut und Tränen in den Augen da und kann nicht glauben, wie viele Menschen, die ich zuvor noch nicht gekannt habe, mich unterstützen und wie viele mir einen Sieg gönnen würden. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl von Euphorie und Dankbarkeit. Ich muss zugeben, dass es immer schön ist, einen Poetry Slam zu gewinnen. Nicht, weil man den Sieg den anderen Slammer*innen nicht genauso gegönnt hätte und auch nicht, weil es wichtig ist, wer nun den Abend gewinnt, sondern weil es eine ansteckende Euphorie ist, wenn das Publikum so laut applaudiert, um die Ehre zu erweisen. Doch nicht nur solche Abende haben mir geholfen, ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen. Jeder Abend, an dem ich Menschen berührt habe, jeder Text, nachdem sich Menschen verstanden gefühlt haben und jeder Auftritt, der Menschen bewegt, und wandelt, ist ein wertvoller Beitrag. Zu hören, wem meine Texte geholfen haben und was sie daraus mitnehmen, erfüllt mich mit Zufriedenheit mit mir selbst – ein Zustand, der mir viele Jahre fremd blieb.